Die Entscheidung für oder gegen Regenkleider fällt heute leicht, mit dem Morgenrot verschwinden die letzten Flecken blauen Himmels und von Westen nähern sich dunkle Regenwolken. Bevor wir losfahren können, muss noch die eine Saccosche geflickt werden, die letzte Schotterpistenpassage war für die eigentlich unzerstörbaren Ortlieb-Taschen doch zu viel des Guten und eine Schraube hatte sich gelöst. Pünktlich als wir aus Trevelin rausfahren, setzen die Regenschauer ein.

Im einen Moment Regenwetter…
Die Strasse führt zuerst durch Pampa und steigt langsam an, je näher wir den Bergen kommen. Nach circa 30 km erreichen wir den Eingang zum Parque National los Alerces. Wie auf Knopfdruck stoppt der Regen, und kurze Zeit später ist der Himmel wieder blau. Wir sind einmal mehr fasziniert von den ungeheuer schnellen Wetterwechseln Patagoniens.

… und Minuten später Sonnenschein
Der Parkwächter im Infozentrum erklärt uns mit Herzblut die Details zum Park; Campingmöglichkeiten, Wanderwege und andere Sehenswürdigkeiten. Ein absichtlich gelegter Waldbrand hat vor etwas mehr als einem Monat eine Fläche von circa 1300 km^2 und damit einige der ältesten Lebewesen der Erde zerstört. Die Alerce-Baumriesen (ähnlich den Sequoias) sind zum Teil weit über tausend Jahre alt.

Wir können uns an der wunderschönen Landschaft kaum satt sehen
Auf einer guten Schotterpiste fahren wir dem Lago Futalaufquen entlang und geniessen die wunderschöne, sehr wilde und rauhe Landschaft. Plötzlich stoppt vor uns der Pick-Up, der uns eben überholt hat. Ein neugieriger Fuchs lugt am Strassenrand hinter einem Erdwall hervor.

Zum ersten Mal begegnen wir im Park auch neugierigen Wildtieren
Er scheint überhaupt keine Scheu zu kennen und nähert sich uns bis auf wenige Meter. Wahrscheinlich kennt er die Touristenpickups als einfache Futterquelle. Später finden wir den bislang schönsten Zeltplatz unserer Reise am Ufer dieses Sees, mit grandioser Aussicht auf die Berge.

Unser bislang schönster Zeltplatz mit Privatstrand
Die Temperaturen sind mit dem Frontdurchgang merklich gesunken und liegen nur noch wenig über dem Gefrierpunkt. Umso mehr freuen wir uns aufs Nachtessen; in Trevelin haben wir frische Ravioli gefunden. Der Verkäufer ist wie so viele hier Secondo von italienischen Einwanderern, mit ein Grund, weshalb Argentinien nebst Fleisch vor allem auch für Pasta-Gerichte berühmt ist.
Die Temperaturen sind über Nacht weiter gesunken, lediglich die Seenähe hat uns vor Frost bewahrt. Finger und Füsse sind auf dem Velo im Nu zu Eiszapfen geworden, und es dauert bis zum Mittag, ehe die Wärme und das Gefühl zurückkommen. Vor der Mittagspause – wir sind mittlerweile in der Park-Mitte angelangt – machen wir einen stündigen Spaziergang durch den Wald zum Lago Menendez, von wo man eine super Sicht über den See auf Berge und Gletscher hat.

Geniale Aussicht auf Berge…

…Seen und Gletscher
Unterwegs passieren wir eine dieser Alerce, die allerdings erst im zarten Alter von etwa 300 Jahren ist. Einmal mehr bewährt sich die warme Suppe zum Zmittag, und wir fahren gestärkt und aufgewärmt weiter Richtung Norden. Das Tagesziel ist der letzte Camping innerhalb des Parkes, den wir am späteren Nachmittag erreichen. Um die letzten Sonnenstrahlen und den Apero am Seeufer geniessen zu können, müssen wir uns vier- bis fünflagig einpacken, denn es weht ein kalter, stürmischer Wind.
Der starke Südwestwind hält auch am nächsten Tag an, und wir spüren zum ersten Mal auf unserer Reise so richtig starken Rückenwind.

Der Wind bläst uns aus dem Park…
So bringen wir die 25km Schotterpiste bis Cholila zügig hinter uns. An der zu unserem Erstaunen auch am Sonntag geöffneten Panaderia kommen wir natürlich nicht unbeschadet vorbei. Gestärkt mit Vanillegebäck und frischem Brot im Gepäck gehts auf Asphalt weiter Richtung Epuyen.

… durch die Pampa nach Epuyen
Der Wind bläst uns richtiggehend durch die Pampa, zwischenzeitlich zeigt der Tacho 35km/h und mehr an. Kurz vor Epuyen kreuzen wir einen anderen Tourenfahrer und halten an. “World-Tour 2004-2017,
http://www.biciclown.com” steht handgeschrieben auf einem Stück Karton, das auf dem Gepäckträger festgezurrt ist. Der Biciclown ist so etwas wie eine Legende unter den Radreisenden, wie wir später erfahren. Ein ehemaliger Anwalt aus Madrid, der sich seit 2001 per Fahrrad durch die Welt bewegt und schon über 80 Länder bereist hat. Wir versorgen ihn mit einer Karte zum Park Los Alerces, er uns mit Tipps zur Route bis Bariloche. Beim Dorfeingang von Epuyen finden wir in einem kleinen Laden zum ersten Mal richtig guten Käse und machen im Windschatten des Ladens auch gleich Mittagspause. Wind sei Dank haben wir vor dem Mittag bereits 65km hinter uns gebracht. Wir werden etwas übermütig, und wollen versuchen, die restlichen 35km bis El Bolsón noch heute zu schaffen. Wind und Strasse drehen kurz nach Dorfausgang auf Nord-West, und aus dem flotten Rückenwind wird mühsamer Gegenwind. Nach 15km streichen wir die Segel und beschliessen, auf einem Campingplatz kurz vor El Hoyo Halt zu machen und die restlichen 22km bis El Bolson gemütlich am nächsten Tag in Angriff zu nehmen.

Herbststimmung auf dem Campingplatz
Unser Zelt stellen wir inmitten von hohen Pappeln auf, der Boden ist bedeckt mit gelbem Laub und bietet wunderbares Herbst-Feeling.
Mit der Aussicht auf eine kurze Etappe schlafen wir etwas länger und stehen gemütlich auf. Den müden Beinen müssen wir in El Hoyo mit zwei Runden super Cappuchino auf die Sprünge helfen. Mit etwas Überwindung können wir uns schliesslich doch aufraffen, den Rest bis El Bolson noch in Angriff zu nehmen.

Wir fahren jetzt auf der berühmt (berüchtigten) Routa 40
Wir fahren nun auf der berühmten (und unter Velofahrern wegen des Windes auch berüchtigten) Routa 40, die quer durch Argentinien von Süd nach Nord führt.
El Bolson ist ein ehemaliges Hippi-Kaff, mittlerweile aber ebenso kommerzialisiert, wie andere Touristenattraktionen auch. Dies allerdings ausschliesslich in der Sommersaison, die mit dem verlängerten Wochenende vom 1. Mai geendet hat. Folglich sind praktisch alle Hostels zu, und wir finden nur mit Mühe eins, dass das ganze Jahr über geöffnet hat. Dort sind wir dafür die einzigen Gäste und haben die grosse Küche und den Aufenthaltsraum für uns und profitieren erst noch vom low-season Preis. Bariloche und Umgebung sind bekannt für ihre Schockolade, zu verdanken ist dies den zahlreichen Schweizer und Deutschen Einwanderern. Auch El Bolsón hat eine vorzügliche Chocolatería und Heladeria ‘Jauja’, die kürzlich sogar in Sidney einen Ableger eröffnet hat. Damit wir das Angebot ausgiebig testen können, bleiben wir gleich zwei Tage hier und verbinden das Notwendige (ausruhen) mit dem Angenehmen (Glace essen). Dass es auch mehrere sehr gute lokale Kleinbrauereien gibt, deren Palette von Lager über Amber und Schwarzbier bis zu Erdbeerbier reicht (letzteres vor allem bei der besseren Hälfte beliebt) hat uns den Aufenthalt noch etwas genüsslicher gestaltet. Überhaupt, auch wenn Chile und Argentinien vor allem für ihre ausgezeichneten Weine bekannt sind, verfügt zumindest Patagonien über eine erfreulich lebendige Bierkultur, selbst kleine Dörfer verfügen über eine “Cerveceria Artesanal”.
Für die verbleibenden 125km bis Bariloche planen wir zwei Tage ein. Der Wetterbericht ist vor allem für den ersten Tag noch gut. Wir fahren zeitig los und wollen versuchen, bei schönem Wetter so weit wie möglich zu kommen.

Canada? Patagonien!
Die Strasse steigt in angenehmer Steigung während circa 30km an und führt uns auf eine wunderschöne Hochebene mit Tannenwald gesäumten Strassen, so stellen wir uns Canada in den Rocky Mountains vor. Die Hochebene wird von zwei tiefen Flusstälern durchschnitten. Und auf die rasante Abfahrt folgt unvermeidlich wieder ein längerer Aufstieg. Der zweite führt noch etwas höher, auf gut 1000MüM.

Unendlich viel von: Nichts!
Wir blicken auf ein breites Hochtal mit mehreren Seen, die bereits zum Umland von Bariloche gehören. Die Landschaft erinnert uns an eine vergrösserte Ausgabe des Oberengadins, auch deshalb wird Bariloche zuweilen als das St.Moritz Argentiniens bezeichnet. An einem dieser Seen finden wir Platz, um unser Zelt aufzustellen.

Unser Zeltplatz
Es ist bereits später Nachmittag, wir haben unser Tagesziel mit 95km und gut 1500 Höhenmetern mehr als erreicht. Entsprechend gross ist der Hunger und die 500gr Pasta in Nullkommanichts weggeputzt.
Die Windprognose für den nächsten Tag sieht ab Mittag starken Nordwind vor. Entsprechend früh stehen wir auf und sind mit der Dämmerung um halb neun abfahrbereit. Bariloche, die erste richtige Stadt auf unserer Reise, kündigt sich schon von weitem mit der städtischen Müllhalde an. Wir fahren durch ärmliche Quartiere und landen schliesslich im Stadtzentrum. Wir sind total durchfroren, und müssen uns erst mal in einem Kaffee aufwärmen. Bis jetzt waren wir immer die letzten Gäste der Sommersaison, im Hostel in Bariloche sind wir die ersten der nächsten Wintersaison. Dies bestärkt uns im Entscheid, den wir in den vergangenen kalten Tagen gefasst haben, ab Bariloche ein Stück mit dem Bus in den Norden nach Valparaiso zu reisen. Unsere erste Etappe mit gut 1700km und mehr als 23’000 Höhenmetern, sowie den Abschied von Patagonien feiern wir zuerst bei einem Cerveza Artesanal, danach ganz argentinisch bei einem Stück Fleisch und einer guten Flasche Wein im “El Fonda del Tio”, und da das ‘Jauja’ auch in Bariloche einem Laden hat, darf natürlich auch die Glace zum Dessert nicht fehlen. Patagonien wird uns in sehr guter Erinnerung bleiben, allem voran die weitgehend unberührte Natur und die spektakulären Landschaften, aber auch die Offenheit, Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen hier.
Hallihallo dir zwöi Liebe!
Wow die Fotos u Reisebrichte vo öich si super! Ha mi grad chli vürtieft und öie Blog nachegläse. So spannend was dir scho Aues erläbt heit! Di Landschafte si ä Troum und dir chöit ufem Velo u im Zäut ja so richtig itouche i di Natur. I stune auso ab denä schöne Plätz wo dir übernachtet u wo dir überau düre fahret.
Ha so müesse lache abem Foto vom Christoph wo näbem Hund ligt und o süsch ischs schön Fotos vo öich ds luege u ds gseh wi dir strahlet. 🙂
Häbets witerhin so guet u häbet Sorg!
Ganz ä liebi Umarmig!
Julie
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