Carretera Austral, wir kommen!

El Chalten bezeichnet sich als argentiniens Capital National del Trekking. Berühmte Bergsteigergipfel wie Fitz Roy, Torre Egger und Cerro Torre liegen in Sichtweite des Dorfes. Auch das Dorf selber scheint nur diesem einen Zweck zu dienen, Basis und Ausgangspunkt für abenteurliche Aktivitäten zu sein. Gerne hätten auch wir hier etwas mehr Zeit verbracht, als uns aufgrund unserer Fahrrad-Havarie zur Verfügung steht. Immerhin haben wir Zeit für eine Wanderung am nächsten Tag. Wir quartieren uns in der Casa Ciclista ein und brechen frühmorgens auf zur Laguna Torre am Fusse des Cerro Torre. Die Gutwetterphase hält unvermindert an, was uns eine kalte Nacht und eine wunderbare Morgenstimmung beschert. Wir sind die ersten Tagestouristen und wandern mutterseelenalleine durch knorrigen Gebirgswald zum Gletschersee. 

Auf dem Weg zur Laguna Torre

Auf dem Weg zur Laguna Torre

Es ist praktisch windstill und der Cerro Torre (einer der bergsteigerisch anspruchsvollsten Gipfel der Welt!) und seine Nebengipfel spiegeln sich im See. Ein wunderschöner Anblick wie man ihn nur selten zu Gesicht bekommt, wie uns die Locals versichern. 

Der Cerro Torre und Nebengipfel spiegeln sich im Gletschersee

Der Cerro Torre und Nebengipfel spiegeln sich im Gletschersee

Wir sind am frühen Nachmittag bereits wieder im Dorf und packen unsere sieben Sachen. Wir wollen heute noch die erste Etappe des Übergangs nach Villa O’Higgins schaffen, 35km Schotterpiste bis zum  Campingplatz beim Lago del Desierto, wo wir übernachten werden.
Schotterpiste von El Chalten zum Lago del Desierto

Schotterpiste von El Chalten zum Lago del Desierto

Uns wird schnell klar, dass wir eigentlich Glück hatten und die Rad Panne bereits so früh und in Zivilisationsnähe passierte. Diese Rumpelpiste hätte die Felge garantiert nicht überlebt. Während einigen Kilometern fahren wir einem wunderschönen Bach entlang und entdecken plötzlich Flossenschlag im seichten Wasser. Es sind tatsächlich Lachse, die sich mit letzter Lebensenergie den Bach hochkämpfen um zu laichen, und dann zu sterben. Ein faszinierender, auch etwas schauriger Anblick.
Auf dem Campingplatz schliessen wir Bekanntschaft mit Nicolas und Fernando, zwei argentinischen Radfahren, die ihr Abenteuer eben erst begonnen haben und um deren Hilfe wir später noch froh sein werden.
Gespannt darauf, was der Tag für uns bereit hält steigen wir am anderen morgen ins kleine Boot, das uns zusammen mit einigen anderen Fahrradfahrern und Wanderern über den Lago del Desierto bringt.
Wir sind nicht die einzigen Abenteurer

Wir sind nicht die einzigen Abenteurer

Farbenpracht über dem Lago del Desierto

Farbenpracht über dem Lago del Desierto

Nach einer Stunde Fahrt mit traumhaftem Ausblick auf die steil aufragenden, gletschergesäumten Gipfel erreichen wir den argentinischen Grenzposten am anderen Ende des Sees. 
Argentinischer Grenzposten

Argentinischer Grenzposten

Nachdem er unsere Pässe gestempelt hat zeigt uns der Zöllner den Einstieg zum Fussweg nach Calendario Mancilla, dem Ziel des heutigen Tages.
Der enge Wanderweg durch den Wald steigt zu Beginn steil an, zum Teil brauchen wir vier Hände um ein Velo hochzuschieben. Immer wieder gibt der Wald die Sicht frei, und wir können beim Blick auf den See und den Fitz Roy am Horizont kurz verschnaufen.
Kurz verschnaufen beim Blick zurück auf den Fitz Roy

Kurz verschnaufen beim Blick zurück auf den Fitz Roy

 Der Weg quert einige Bäche, die wir zum Teil trockenen Fusses auf Baumstämmen überqueren, zum Teil auch einfach durchwaten, was meistens schneller geht.
Flussquerungen: trockenen Fusses über die

Flussquerungen: trockenen Fusses über die “Brücke”,

..., nassen Fusses durchwaten,

…, nassen Fusses durchwaten,

..., oder sogar inklusive Moorpackung.

…, oder sogar inklusive Moorpackung.

Ein ausgedehnter Sumpf verhilft uns sogar zu einer knietiefen Moorpackung, wieso sich Leute sowas freiwillig anschmieren bleibt uns schleierhaft. Nach einer kurzen Mittagspause erreichen wir nach vier Stunden anstrengendem Aufstieg und ziemlich ausser Atem die chilenische Grenze, der höchste Punkt des Übergangs.
Es ist schon fast geschafft!

Es ist schon fast geschafft!

Wir können wieder auf unsere Velos aufsteigen, denn weiter gehts auf einer Schotterpiste. Wir passieren sogar ein Rollfeld im Niemandsland und erfahren später, dass diese Infrastruktur den chilenisch-argentinischen Grenzstreitigkeiten um das Gebiet des Lago del Desierto zu verdanken ist. Uns solls recht sein, entspannt rollen wir die verbleibenden 16km durch wunderbar gefärbten Herbstwald runter zum türkisfarbenen Lago O’Higgins.
Der Lago O'Higgins in Sichtweite

Der Lago O’Higgins in Sichtweite

Der chilenische Grenzposten ist mit elf Mann erstaunlich gut besetzt, und wir rätseln, ob man wohl als Strafe hierhin ins Niemandsland versetzt wird, wenn man bei den chilenischen Carabinieros Mist baut. Nachdem wir die offizielle Einreise erledigt haben, fahren wir mit letzter Kraft zur Wiese, die uns und ein paar anderen als Campingplatz, einem Pferd als Weide und in der Nacht als Rennbahn und ein paar Hunden als Spielplatz dient. 
Unser Nachtlager

Unser Nachtlager

Wir kochen einen riesigen Topf Reis und geniessen die eindrückliche Abendstimmung. Wir sind glücklich, dass wir den Übergang gut bewältigt haben.
Wunderschöne Abendstimmung über dem Lago O'Higgins

Wunderschöne Abendstimmung über dem Lago O’Higgins

Aufgrund des unsicheren Wetters hatte uns der Zöllner geraten, uns zeitig am nächsten morgen an der Anlegestelle des Bootes einzufinden. Wir stehen mit 15 gleichgesinnten pünktlich um elf am Pier als das Boot kommt. Der Kapitän erklärt uns, dass zuerst einige Estancias in der Umgebung versorgt würden und vertröstet uns auf den späteren Nachmittag. In einer kleinen gemütlichen Hütte am Hafen verbringen wir die Wartezeit mit lesen, essen und nichts-tun und versorgen uns gegenseitig mit den neusten Reisetipps.
Kein Boot in Sicht, weit und breit...

Kein Boot in Sicht, weit und breit…

Wir werden schon fast etwas ungeduldig, ob das Boot tatsächlich zurückkommt; es dämmert bereits und der Wind hat aufgefrischt. Doch der Kapitän hält Wort und nachdem alles Gepäck verstaut und die Fahrräder an der Reling festgebunden sind sinken wir erleichert in die bequemen Sessel des Schiffs. Kurz vor 23:00 Uhr erreichen wir den Hafen von Villa O’Higgins. Uns trennen noch 7km Schotterpiste vom Dorf. Mittlerweile hat es in Strömen zu regnen begonnen und ist stockdunkel. Da wir nur spärlich mit Licht ausgerüstet sind schliessen wir uns den beiden Argentiniern an, die über eine Lampe verfügen, die mit jedem Neuwagen mithalten kann. 
Der fünfte Mann bleibt im Regen verschollen

Der fünfte Mann bleibt im Regen verschollen

Eine halbe Stunde und eine Suchaktion später (Walki-talky der Argentinier sei dank) sind wir im Dorf und halten bei einem Hospedaje. Tropfnass stolpern wir in die Stube und werden sofort zu den Zimmern geführt. Dank charmanter Überzeugungsarbeit von Fernando kriegen wir sogar noch ein wunderbares Nachtessen: Lamm und Salat, que bueno! Wir sind einmal mehr überwältigt von der Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Chilenen. Gesättigt und glücklich sinken wir ins Bett.

4 thoughts on “Carretera Austral, wir kommen!

  1. Wow, die Route von El Chalten nach Villa O’Higgins sieht ja echt abenteuerlich und cool aus. Chapeau zu dieser Leistung! Ihr hattet ja echt Glück mit dem super Wetter! Geniesst es weiterhin! So wie wir die zurückliegenden Tage in Maisod genossen haben. Marlis und Peter

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  2. Euer Bericht tönt ganz wundervoll und die Natur und Umgebung sieht phantastisch aus. Und mit Google Maps kann man sehr gut eurem Weg folgen, macht Spass 🙂

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    • Google Maps kennt sogar die kleinsten Schotter-Nebenstrassen, schon fast unheimlich 😊und zum Glück war ihr 360*-Kamerafahrzeug noch nicht hier vorbeigekommen… Die weissen Flecken auf der Landkarte werden immer weniger… Umso schöner, das noch als “Abeneteuer” mit ungewissheiten erleben zu können.

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