Llanta rota

Schönes Wetter, praktisch windstill und angenehme Temperaturen, der Tag startet vielversprechend. Wir freuen uns, nach ein paar Tagen motorisierter Fortbewegung wieder selber aktiv zu sein. Der Wetterbericht verspricht kaum Wind für die nächsten Tage, so hoffen wir, die 220km bis El Chalten in zwei langen Tagesetappen zu schaffen. 

Traumhaftes Velowetter

Traumhaftes Velowetter

Beim Blick zurück erinnern wir uns nochmals an die spektakuläre Szenerie beim gestrigen Ausflug zum Perrito Morreno Gletscher. Nach kurzer Zeit begegnen wir einer Gruppe Guanacos, die hier überall anzutreffen sind (und übrigens auch auf dem Teller vorzüglich schmecken).
Guanacos sind überall anzutreffen

Guanacos sind überall anzutreffen

Wir sind begeistert von der kargen, wunderschönen Landschaft und kommen flott voran, bei Windstille pedalt es sich doch einiges leichter. Plötzlich ruft Corinne von hinten, mein Hinterrad hätte eine Acht. Wir halten an, und auf den ersten Blick scheint es, als würde der Pneu etwas vorstehen; einfach zu beheben, denke ich. 
Radinspektion

Radinspektion

Bei genauerem Hinsehen stelle ich jedoch fest, dass nicht der Pneu das Problem ist, sonder die Felge. Eine neue Felge (von Mavic, angeblich gute Qualität), nach gut 200km auf geteerter Strasse bereits gebrochen, das sitzt!
Die Felge hält knapp 200km...

Die Felge hält knapp 200km…

 Wir sind gut ausgerüstet und können viele Defekte selber beheben, bei gebrochener Felge müssen wir allerdings Forfait geben.
Nachdem der erste Schock grossem Ärger gewichen ist, stellen wir uns mit erhobenem Daumen an die wenig befahrene Strasse und hoffen, dass uns jemand nach El Calafate zurück mitnimmt. Die Wartezeit verkürzen wir damit, uns die Wörter für ‘kaputte Felge’ (llanta rota), Rad, Speiche usw. auf Spanisch anzueignen. Nach einer Stunde stoppt ein Bus, lädt uns auf und nach kurzer Fahrt sind wir wieder am Ausgangspunkt des heutigen Tages. Wir quartieren uns auf dem Camping ein und stürmen sofort zum einzigen Velogeschäft des Ortes. Nachdem es auch nach der Siestazeit nicht öffnet – es ist Samstag Nachmittag – und ein Blick ins Ladeninnere Zweifel aufkommen lässt, dass er uns wirklich weiterhelfen könnte, brauchen wir einen Plan B. Wir beschliessen für den Montag ein Auto zu mieten – was uns nach vier Stunden beim sechsten und letzten Autoverleih im Ort dann auch gelingt – und nach Puerto Natales zurückzufahren. Dank Corinnes Plattfuss am ersten Tag wissen wir, dass es dort ein gut eingerichtetes Velogeschäft gibt, mit dem wahrscheinlich besten Mech südlich von Puerto Montt, wie wir später erfahren.
Chillen an der Sonne, wie die Strassenhunde

Chillen an der Sonne, wie die Strassenhunde

Der Sonntag wird zum Lazy-Day, wir halten es wie die Strassenhunde und legen uns an die Sonne. Ein etwas mulmiges Gefühl im Magen bleibt, aber wir sind optimistisch.
Etwas angespannt brechen wir am Montag Morgen auf nach Puerto Natales, 350km Pampa liegen vor uns! Der wolkenlose und klare Himmel erlaubt einen grandiosen Ausblick über hunderte Kilometer Entfernung auf die bekannten Berggipfel der Kordilleren wie Fitz Roy, Cerro Torre oder die Türme des Torres del Paine. 
Unendliche Weiten...

Unendliche Weiten…

Das Grenzprozedere gestaltet sich mit Mietwagen noch etwas komplizierter, das Fahrrad im Kofferraum erregt natürlich das Interesse der Zöllner. Von der Grenze sind es nur noch wenige Kilometer bis Puerto Natales und kurze Zeit später stehen wir erneut vor dem Geschäft: El Rey de la Bicicleta! Gleich wird sich zeigen, ob wir unseren Plan, mit der letzten Fähre der Saison noch nach Villa O’Higgins und damit an den Anfang der Carretera Austral zu kommen, noch umsetzen können oder für längere Zeit stuck sind. Mit einem Redeschwall werden wir vom Inhaber begrüsst und können nach etwa 10min unser Anliegen vorbringen. Er erkennt sofort den Ernst der Lage und beginnt, sich über Mavic, deren Made-in-China-Produkte sowie schlechte Qualität im Allgemeinen auszulassen. Nach einer weiteren Viertelstunde sieht er sich die Sache etwas genauer an. Wir haben Glück, er hat eine einzige Felge mit 32er Bespeichung vorrätig! Er verspricht, das Rad bis morgen Mittag in Ordnung zu bringen. Uns fällt ein erster Stein vom Herzen. Wir quartieren uns im nächst besten Hostal ein und geniessen den warmen Spätsommertag an der Riviera von Puerto Natales.
Frappucino an der Sonne, so lässt sich das Warten aushalten

Frappucino an der Sonne, so lässt sich das Warten aushalten

Riviera von Puerto Natales

Riviera von Puerto Natales

Kitschiger Sonnenuntergang

Kitschiger Sonnenuntergang

Als wir am nächsten Tag zur vereinbarten Zeit wieder im Veloladen erscheinen, sagt André, es gäbe ein Problem. Uns stockt kurz der Atem. Als wir sehen, dass es nur um den ebenfalls beschädigten Reifen geht und das Umspeichen ansonsten geklappt hat, sind wir überglücklich. Unser Lob seiner Mechanikerfertigkeiten und Interesse seiner Werkstatt lässt ihn zu Höchstform aufleben, wir erfahren seine halbe Lebensgeschichte und erhalten detaillierte Erklärungen zu seiner bestens eingerichteten Werkstatt (für die Velointeressierten: sogar ein Werkzeug um Speichengewinde zu schneiden findet sich in seiner Sammlung, ich wusste nicht mal, dass es sowas gibt!). Als wir bezahlen wollen, sind wir erneut baff, für seine Arbeit verlangt er umgerechnet knapp 10.- Franken. Wir geben grosszügig Trinkgeld und machen uns überglücklich auf den Rückweg.

Unser Ärger ist mittlerweile fast verflogen, wir sind froh, dass wir das Problem beheben konnten und uns selber nichts passiert ist. Und natürlich hoffen wir, dass wir für den Rest der Reise vor solchen Defekten verschont bleiben.

Fitz Roy und Cerro Torre

Eine erneute Busfahrt – mit spektakulärem Panorama auf Fitz Roy und Cerro Torre – bringt uns heute rechtzeitig nach El Chalten, wo wir am Freitag/Samstag – so das Wetter mitspielt – nach Villa O’Higgins übersetzen können. Keep your fingers crossed!

10 thoughts on “Llanta rota

  1. Liebe Corinne, lieber Chris! Super Blog, so können wir Daheimgebliebenen ein wenig Abenteuerluft schnuppern, dem Fernweh frönen und in Gedanken mit euch auf Reisen gehen 😀 Merci!
    Hey, Mavic, was soll denn das, ich werfe gleich meine eigenen Mavic Felgen aus dem Fenster, das kann doch nicht sein! Ab sofort mögen die guten Wünsche von Rad-, Achsen-, Speichen- und Rahmenbruch helfen! Gute Fahrt 😀

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    • Hej Dirk, die restlichen Felgen wie auch die neue halten die Ripio (=Schotterpiste) gut aus, wahrscheinlich wars einfach riesen Pech. Auf jedenfall bleiben wir vorerst von weiteren Problemen verschont, danke für die Wünsche 😊lg chris

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  2. Zurück auf Feld eins…. Pech und Glück liegen bisweilen nah beieinander…Zum Glück konnte euch André aus der Patsche helfen!
    Nun wünschen wir euch freie Fahrt mit viel Rückenwind!
    Herzlichst
    Ma und pa

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  3. Hoi zäme,
    Drücke euch die Daumen dass ihr pünkltlich auf die Fähre kommt! Geniesst den kleinen Pass zur Fähre und spielt doch mit den Zöllnern da Fussball! Ich geniesse es sehr, eure Beiträge zu lesen!
    Herzliche Grüsse,
    Brigitt

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    • Hoi Brigitt, die Fähre haben wir erreicht, das Fussballspiel allerdings leider verpasst😊 Es ist ein absoluter Traum hier unten Velo zu fahren, und wir denken oft an dich und fragen uns, was sich wohl in der Zwischenzeit verändert hat. Herzliche Grüsse, Corinne&Christoph

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  4. Hola Corinne and Christoph

    We are enjoying your travelogue and the creative way you have fun with your adventures thanks to googletranslate
    WE’re sure there’ll be many more stories to share in Maine.

    XO
    Jim and Renee

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    • Hi Jim and Renée
      Glad to hear that googletranslate can help you out! And we add extra a lot of pictures 😉
      There for sure will be a lot to tell in Maine…and you’ll be the first ones to get live reports 🙂

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  5. Hallo Christoph und Corinne, spanend eure Berichte und super, wie ihr die Probleme meistert. Dazu ein erstes Bild von Fitz Roy und Cerro Torre. Vielen Dank! Ich bleibe Abonnent!
    Liebe Grüsse Urs

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