Von sichtbaren und unsichtbaren Sternen

In Europa vergisst man manchmal, wie schön ein Blick in den Nachthimmel eigentlich sein kann – sein könnte genauer gesagt, denn es gibt kaum noch einen wirklich dunklen Fleck Nachthimmel zu sehen, die sogenannte Lichtverschmutzung ist allgegenwärtig. Die Atacama-Wüste in Chile bietet dagegen fürs Sternenkucken optimale Bedingungen, kaum bewohnt, praktisch immer schönes Wetter und sehr trockene Luft. Zudem ist die Atmosphäre aufgrund der Höhe viel dünner als auf Meereshöhe. So sind einige grosse Observatorien in Chile angesiedelt, unter anderem auch die Europäische Südsternwarte im Paranal in der Nähe von La Serena. Diese imposanten Teleskope haben wir leider verpasst. In San Pedro de Atacama backen wir erstmal kleinere Brötchen und schliessen uns einer der vielzähligen “Star-Tours” an. Per Shuttlebus gehts am Samstagabend einige Kilometer aus dem Dorf hinaus auf den Salar de Atacama. Ein Französischer Astronome hat hier ein kleines Observatorium mit mehr oder weniger handelsüblichen Teleskopen (ca. 60’000€ pro Stück) eingerichtet. Seine Faszination und Leidenschaft für das grosse Schwarze mit den kleinen weissen Punkte versucht er in einer Theorierunde unter freiem Himmel an die bunt gemischte Gruppe weiterzugeben. Nachdem Begriffe wie Sternbild, Lichtjahr und Galaxie geklärt sind, richtet er die rund zehn Teleskope auf verschiedene Himmelsobjekte. So bekommen wir nebst unserem nächsten Stern, Alfa Centauri, auch einen Sternenhaufen, eine Nachbargalaxie und als faszinierendstes Objekt Saturn zu sehen, bei dem sogar die Ringe erkennbar sind!  

So ist der Himmel in Europa fast nirgends mehr zu sehen

So ist der Himmel in Europa fast nirgends mehr zu sehen

  Natürlich darf wie bei jeder guten Tour auch eine kulinarische Komponente nicht fehlen und so gibts zur abschliessenden Fragerunde eine heisse Schokolade, die wir natürlich dankend annehmen. 
Nach der astronomischen Schnellbleiche am Abend vorher gehts am Sonntag Morgen ans Eingemachte. Seit kurzem gibt es nämlich auch in San Pedro ein “richtiges” Observatorium zu besichtigen, das Atacama Large Milimeter Array, kurz ALMA. Mit Glück konnten wir uns zwei der begehrten Besuchertickets ergattern. Die Führung ist gleichsam der Ritterschlag für unsere Spanischkentnisse, zumindest was das Verstehen anbelangt, für Rückfragen müssen wir uns noch mit Englisch behelfen. Während wir am Abend vorher die Sterne noch von blossem Auge angeschaut haben, das heisst uns für den sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums interessiert haben, geht es beim ALMA – wie der Name sagt – um Wellenlängen im Milimeter-Bereich.  

Aussicht vom ALMA auf den Salar de Atacama

Aussicht vom ALMA auf den Salar de Atacama

 Eine einzelne Antenne mit der gewünschten Auflösung für diesen Wellenlängenbereich hätte einen Durchmesser von etwa 16km, was praktisch natürlich nicht umsetzbar ist. Astrophysiker interessieren sich seit langem für diesen Wellenlängenbereich und ALMA ist schliesslich aus der Einsicht heraus entstanden, dass kein Land alleine ein Projekt dieser Grösse und Komplexität alleine stemmen kann. Denn das ALMA ist nach dem CERN das zweitgrösste Wissenschaftsexperiment der Welt. Und die Dimensionen sind wahrlich beeindruckend. Das System besteht aus 66 einzelnen Teleskopen, die in verschiedenstens Konfigurationen zusammengeschaltet werden können. Die Teleskope sind auf einer Hochebene auf über 5000MüM installiert, allerdings nicht fix, sondern variabel. Mit einem speziell entwickelten Antennentransporter können die 150 Tonnen schweren Teleskope in verschieden Konfigurationen angeordnet werden, je nach Anforderung der wissenschaftlichen Untersuchung. Zum Beispiel hofft man mit ALMA die Frage beantworten zu können, unter welchen Bedingungen Planeten entstehen können, unter anderem natürlich auch solche, die im Prinzip Leben ermöglichen. Das eigentliche Antennenfeld bekommen wir als normale Besucher nicht zu Gesicht, zumindest nicht an diesem Tag. Doch mehr dazu im nächsten Beitrag.  

Eindrückliches vom Control Center

Eindrückliches vom Control Center

 Auf der Führung sehen wir das Kontrollzentrum auf 2900MüM, zwei Antennen in Revision und dürfen Otto von nahem bestaunen, einen der beiden Antennentransporter. Der Guide ist von unserem Veloprojekt derart angetan, dass er uns zum Schluss der eindrücklichen Tour unauffällig zwei ALMA-Sonnenhüte zusteckt mit der Bemerkung, die würden wir in Bolivien brauchen können, er sollte Recht behalten. 

Leave a comment