“It’s only 1300 kilometers”

‘Scho nätt u so’, aber auch nicht viel mehr ist Mendoza für uns. Riesige Einkaufsstrassen mit einem extra Shoppingbus, moderne Geschäftsgebäude, bekannte Hotelketten, viele Strassenrestaurants mit Werbesonnenschirmen und ein grossstädtisches Getreibe erinnern uns an eine x-beliebige Grossstadt auf der Welt ohne speziellen Charme. Doch für eines ist Mendoza weltberühmt; für seinen Wein. So radeln wir am nächsten Morgen auf einem in einen Veloweg umfunktionierten ehemaligen Bahndamm durch die Vororte nach Maipu, den stadtnächsten Weinanbaugebieten. Was zuerst sehr industriell aussieht, verändert sich auf einer kleinen von gelben Pappeln gesäumten Seitenstrasse mitten durch die Reben. Wir folgen einem Schild zur Bodega der Familie Cecchin. Per Zufall sind wir auf einer der wenigen argentinischen Bio-Betrieben gelandet und per Zufall ist gerade Mittagszeit. Kurz später sitzen wir im Innenhof der Bodega und geniessen ein wunderbares Drei-Gang-Menü mit dem wohl grössten Stück Fleisch das wir je auf dem Teller hatten.  

Zu Gast bei Familie Cecchin

Zu Gast bei Familie Cecchin

Für die Siesta danach bleibt keine Zeit, denn Agustin will uns den ganzen Betrieb zeigen. In einer einstündigen Privatführung zeigt er uns die mit Oliven- und Fruchtbäumen durchwachsenen Reben (als Insekten- und Windschutz), die fast 100-jährigen gemauerten Weintanks, die Traubenpressen und ermöglicht uns einen Crashkurs in die biologische Weinproduktion. Die Etiketten aller 1 Million Flaschen werden jede einzeln von Hand aufgeklebt, die Weine palletiert und in die ganze Welt verschickt. Leider passen nur zwei Flaschen in unser Gepäck; doch um diese schwerer verlassen wir am späten Nachmittag den Hof und besuchen auf dem Heimweg noch eine Olivenfarm. Die Führung fällt kürzer und zusammen mit einer buntgemischten Tourigruppe aus. Natürlich darf auch hier die Degustation nicht fehlen und zu guter letzt werden wir alle mit Olivenöl (Crème) eingerieben. Geschmiert rollen wir zurück und sind erstaunt, dass wir auf unserem kleinen Tagesausflug doch schnell 60km zurückgelegt haben. Dafür bescheren uns die Kilometer schon wieder einen grossen Hunger und wir gehen zum zweiten Mal ins Restaurant ‘Fuente y Fondo’. Von zwei jungen Argentiniern beim Bier am Vortag empfohlen, schwelgen wir einmal mehr in der wunderbaren argentinischen Küche!   
Unsere Mottos für die nächsten Tage (und Jahre)

Unsere Mottos für die nächsten Tage (und Jahre)

 
Nach zwei Tagen verlassen wir Mendoza wieder; zum zweiten Mal auf dieser Reise mit einem Mietauto. Doch dieses Mal zum Glück nicht wegen einer kaputten Felge, sondern als weniger kompliziertes Transportmittel im Vergleich zu den Bussen. Mit vier Tagen Zeit für die “only 1300km”, wie uns der Chef des Autoverleihs erklärt, flitzen wir schon bald wieder über die legendäre Ruta 40. Wenn die Kilometertäfelchen in Patagonien noch um die 2000km vom Ursprung in Rio Gallegos angezeigt haben, rattern wir nun in den 4000ern. Doch es geht ebenso gerade zu und her, wie in der Pampa. Kilometerweise schnurgerade Stücke führen uns zuerst durch trockene, steppenartige Gebiete bis wir den durch starke Erosion zerklüffteten Andenausläufern folgen. Der erste Tag und gut 600km später endet in einer abrupten Sackgasse: ‘Ruta cortada’ steht auf einem kleinen Schild, welches zusammen mit einem Pneuhaufen die Strasse blockiert. Wir erfahren, dass der Passübergang ausgebaut wird und die Strasse schon länger geschlossen zu sein scheint; nur fehlen leider die Schilder für die unwissenden Touris. Immerhin haben wir dieses Mal einen Motor und so sind die 80km zurück ins letzte Dorf und die enstandene Umfahrung von knapp 400km kein so grosses Problem. Ausserdem führt uns die Strasse durch rote, skurile Felsformationen, welche mit den grossen Kakteen ein wunderbares Panorama abgeben. Wir landen im kleinen Wüstendorf Villa Union, welches bei Sonnenuntergang gerade aus der Siesta am Erwachen ist und uns einen gemütlichen Abend mit einem Bier auf der Plaza beschert. 
Der Umweg hat noch mehr Positives. Er führt uns am nächsten Morgen direkt durch den Talampaya Nationalpark. Auch hier scheint die Rangerstation für deutlich grössere Menschenmassen angelegt; an diesem Morgen teilen wir sie uns mit ein paar wenigen anderen. Doch es reicht gerade, um den grossen Truck zu füllen, mit welchem wir dem berühmten Canyon entgegen brausen. Von einem ehemaligen Flusssystem abeglagerte Sedimente wurden später von Wasser und Wind erodiert, was einen bis zu 150m hohen spektakulären Canyon entstehen liess. Die roten Felswände und -formationen leuchten im Kontrast zum blauen Himmel als wären sie angemalt. Der Ort hat nicht nur heute etwas Magisches, sondern ebenso für indigene Volksgruppen, die in Form von Petroglyphen ihre faszinierenden Spuren hinterliessen.  

...und sogar die Dachklappe lässt sich öffnen: wenn schon, denn schon!

…und sogar die Dachklappe lässt sich öffnen: wenn schon, denn schon!

Jeder Stopp ermöglicht weitere Einblicke in dieses Naturwunder. Oscar, unser Ranger, erklärt uns mit einer riesigen Ladung Herzblut die biologischen und geographischen Einzelheiten dieses einzigartigen Ökosystemes. Kaum vorzustellen, dass in der Regenzeit im Sommer Sturzbäche den jetzt wüstenartigen Canyon durchströmen.  

Eine Form toppt die nächste!

Eine Form toppt die nächste!

 Wir sind froh, ist es nun trocken, auch wenn die letzten Regenfälle dieses Jahres, wegen El Niño, besonders spät und heftig ausfielen. Dafür düsen wir nachher durch blühenden Wüstenfrühling und geniessen die so andersartige Landschaft! 

Die Kilometertäfelchen flitzen nur so an uns vorbei, ebenso das viele Nichts, die steppenartige Weite und zwischendurch kleine Dörfchen. Nach drei Tagen Fahrt erreichen wir Cafayate, das zweite grosse argentinische Weinanbaugebiet mit dem berühmten Torrontés Weisswein. Die Reben direkt neben dem Dorf, im Hintergrund die Anden und die kolonial geprägten Häuser geben Cafayate einen besonderen Charme. Den Wein aus den höchsten Weinbergen der Welt geniessen wir beim Abendessen draussen auf der Terrasse; wir sind vorerst definitiv in wärmeren Gebieten angekommen! 
Die letzten Kilometer bis Salta führen uns durch die spektakuläre Quebrada de las Conchas. Die Felsen leuchten in allen Farben und sehen zum Teil aus wie eine gigantische Torte. Mit dem Grün entlang der Flüsse ergibt sich ein Panorama nach dem anderen. 

Einmal Torte bitte!

Einmal Torte bitte!

Umso erstaunter sind wir, als wir hinter der letzten Andenkette – Cafayate liegt in einem Hochtal – auf ganz grüne Landschaft treffen, die uns etwas an das Mittelland und den Jura erinnert. Wir fahren plötzlich durch Wälder, grüne Wiesen und an Äckern vorbei, ehe wir auf einer Autobahn durch die Vororte Saltas rollen. Nach 1600km freuen sich nicht nur Güstu (Augustin) und Lotti, sondern auch wir, uns wieder per zwei Räder fort zu bewegen. 
Doch zuerst heisst es eine Woche keine Bewegung: wir machen Pause von all den Eindrücken, Pause von den Kilometern und Höhenmetern und geniessen das Nichtstun in einem genialen Hostel! 

Wir folgen Alex' Motto: Yingyang-Days!

Wir folgen Alex’ Motto: Yingyang-Days!

Alex und Rijkje aus Holland verwöhnen uns in ihrer Casa Hernandez mit einem wunderbaren Frühstück, immer wieder mal einem Bierchen im Garten, einem Rundumservice und wir fühlen uns sofort mehr als zu Hause!  
Salta, la linda!

Salta, la linda!

 
Zwischendurch schlendern wir durch die Kolonialhäuser Saltas, bestaunen 500-jährige Inkamumien, die in 6000m Höhe konserviert wurden oder reiten mit einem singenden Gaucho durch die unendlichen Weiten der Finca.  
Die Skepsis ist  schnell verflogen: zum Glück läuft nur Eduardos Pferd elegant im Passgang!

Die Skepsis ist schnell verflogen: zum Glück läuft nur Eduardos Pferd elegant im Passgang!

 
Mit frischgewaschenen Kleidern, geflickten Hosen, einem endlich ersetzten Kamerafilter, einem blitzblanken Kocher und vor allem mit frischaufgeladenen Batterien und viel Vorfreude gehts nun weiter über den Paso Sico nach San Pedro de Atacama, wo wir so in zwei Wochen einrollen wollen.

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